"Kinder im Exil" heißt das Projekt von PiB – Pflegekinder in Bremen
gemeinnützige GmbH, das im Auftrag des Jugendamtes unbegleiteten
minderjährigen Flüchtlingen ein Zuhause auf Zeit geben soll: bei
Pflegefamilien oder Pflegepersonen.
Anja Stahmann und PiB-Geschäftsführerin Monika Krumbholz (re.)
"Wir suchen fortlaufend Familien oder Einzelpersonen, die sich eine
solche Aufgabe auf Zeit vorstellen können. In diesem Jahr wollen wir für
mindestens 60 junge Menschen nach der Flucht eine Pflegefamilie
finden", erklärte Monika Krumbholz, Geschäftsführerin von PiB, die heute
gemeinsam mit Sozialsenatorin Anja Stahmann und Pflegefamilien das
Projekt "Kinder im Exil – Nach der Flucht – Jugendliche suchen einen
sicheren Ort" vorstellte. "Gestartet sind wir 2011, da konnten wir die
ersten fünf jugendlichen Flüchtlinge im Rahmen der Vollzeitpflege in
Pflegefamilien unterbringen. 2015 waren es dann bereits rund 40 Kinder
und Jugendliche, die wir in ein familiäres Zuhause in Bremen vermitteln
konnten".
Pflegemutter Corinne Daum (li.) mit dem 18-jährigen Cheikh aus dem Senegal und Senatorin Anja Stahmann
Einer von ihnen ist der 18-jährige Cheikh aus dem Senegal, er
lebt seit Januar 2016 bei der Pflegefamilie Daum. Corinne Daum hat schon
mehrere junge Flüchtlinge beim Ankommen in Deutschland unterstützt und
sie auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit begleitet. "Es immer wieder
schön, mitzuerleben, wie die Jugendlichen, die wirklich schlimme Dinge
auf ihrer Flucht erlebt haben, in unserer Familie aufleben und ihr
Vertrauen wieder gewinnen. Cheikh spricht Französisch, Englisch und
schon ganz gut Deutsch, und wir konnten ihm ein Praktikum bei einer
Firma in Bremen vermitteln."
Corinne Daum ist als Mentorin beim
Verein Fluchtraum e. V. aktiv und hat Cheikh in der
Notaufnahme-Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in
der Sporthalle Am Saatland in Borgfeld kennengelernt. PiB begleitete die
Anbahnung und Vermittlung von Cheikh in ein Vollzeitpflegeverhältnis
gemäß den geltenden Jugendhilferichtlinien. Die Familie Daum nimmt seit
2007 Pflegekinder in ihrer Familie auf, ihre beiden Töchter (23 und 25
Jahre) sind inzwischen erwachsen. Im Jahr 2013 hatten sie den ersten
minderjährigen Flüchtling aufgenommen.
"Im vergangenen Jahr hat
Bremen rund 2.600 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgenommen,
zehnmal so viele wie 2013., Jeder junge Flüchtling hat seine eigene
individuelle Biografie, Sehnsüchte und Wünsche. Eine Gastfamilie kann
Kindern und Jugendlichen genau die Geborgenheit bieten, die mancher von
ihnen braucht, um hier gut anzukommen", sagte Anja Stahmann, Senatorin
für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport.
Auch die
Pflegeeltern May und Holger Reimann haben ihr Pflegekind über PIB
kennengelernt; seit Januar 2016 betreuen sie Eyad (14 J.) aus Syrien.
Eyad ist im Oktober 2015 nach Bremen geflüchtet und hat vorher in der
Jugendhilfeeinrichtung Hermann-Hildebrandt-Haus gelebt. Die Familie
betreibt einen Pferdehof in Oberneuland. Die Eheleute Reimann betreuen
als geschulte Pflegeeltern seit 2007 Pflegekinder im Auftrag des
Jugendamtes.
Eyad besucht seit Februar die Oberschule, geht regelmäßig zum Fußballtraining und spricht und versteht schon gut Deutsch.
"Es
hat sich bei uns schnell wohl gefühlt; da wir gleich Deutsch mit ihm
gesprochen haben, hat er viel gelernt. Gut war und ist, dass er noch
Kontakte in seine alte Wohngruppe hat und die Freundschaften nicht
abgebrochen sind. Eyad geht gerne zur Schule und ist, wie alle Jungen in
seinem Alter, ein begeisterter Fußballer", berichtet der Pflegevater
Holger Reimann.
PiB informiert, qualifiziert und begleitet
Familien, Paare oder Einzelpersonen, die sich vorstellen können, diesen
jungen Menschen einen sicheren, familiären Ort zu bieten. Dafür werden
weltoffene Familien gesucht, die Erfahrung mit unterschiedlichen
Lebensstilen und anderen Kulturen haben und die sich im Umgang mit
jungen Menschen auskennen.
Ein freies Zimmer reiche zur Aufnahme
eines Jungen oder Mädchen aus Krisen- und Kriegsgebieten allerdings
nicht, betonte PiB-Leiterin Krumbholz: "Gefragt ist auf jeden Fall eine
offene und positive Grundeinstellung auch fremden Kulturen gegenüber.
Vor einer Vermittlung steht eine ausgiebige Vorbereitung. Interessierte
Familien, Paare oder Einzelpersonen werden von PiB für diese
anspruchsvolle Aufgabe qualifiziert. Es kommt auch nicht für jeden
Jugendlichen eine familiäre Unterbringung in Frage. Es muss schon
passen. Hier ist Aufrichtigkeit gefragt – umso nachhaltiger aber kann
sich ein gutes Miteinander und für die jungen Flüchtlinge eine echte
Unterstützung entwickeln.
Minderjährige Flüchtlinge unterliegen,
wie alle Jugendlichen, dem in Deutschland geltenden Kinder- und
Jugendhilfegesetz (geregelt im Sozialgesetzbuch VIII). Pflegepersonen,
die einen jungen Menschen aufnehmen, erbringen Leistungen nach § 33 SGB
VIII (Heilpädagogische Vollzeitpflege) und werden entsprechend geschult
und ausgewählt. Über eine Aufnahme entscheidet immer das Amt für Soziale
Dienste und das zuständige Casemanagement bzw. die Vormünder. Die
Fachberaterinnen von PiB begleiten die Familie und das Kind/ den
Jugendlichen in der Kennlernphase und sind für die Vermittlung und den
Abschluss einer Betreuungsvereinbarung zuständig. Das Jugendamt
entscheidet über die Jugendhilfemaßnahme (Heilpädagogische
Vollzeitpflege) und zahlt das Pflegegeld.
Für weitere Informationen können sich Interessierte an die PiB Fachberatung Kinder im Exil wenden:
- Konstanze Jäger, Tel. 0421 958820-58, E-Mail: k.jaeger@pib-bremen.de
- Gabriele Jürgens, Tel. 0421 958820-59, E-Mail: g.juergens@pib-bremen.de
- Kornelia Kötz, Tel. 0421 958820-57, E-Mail: k.koetz@pib-bremen.de
Fotos: PiB
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